Anforderungen zu hoch? Deutschland verlangt im Europavergleich besonders hohes Mindesteinkommen für ausländische Arbeitskräfte

Im Ausland zu arbeiten gestaltet sich nicht immer einfach, denn die Voraussetzungen hierfür sind in jedem Land unterschiedlich. Um beispielsweise in Deutschland als ausländische Fachkraft zu arbeiten, müssen Arbeitnehmer:innen zum Teil höhere Anforderungen erfüllen, als in vielen anderen EU-Ländern. Zu diesem Ergebnis kommt unsere aktuelle Analyse, bei der wir die Formalitäten zum Erhalt einer sogenannten Blauen Karte EU ermittelt haben. Ähnlich der amerikanischen Green Card ist die Blaue Karte ein besonderer Aufenthaltstitel für Menschen, die in Deutschland als qualifizierte Fachkraft arbeiten wollen. Zu den Voraussetzungen hierfür gehört etwa der Nachweis über ein gewisses Mindesteinkommen der neuen Arbeitsstelle im Zielland.

Im europäischen Vergleich landet Deutschland auf Rang 11 von 26

Der Spitzenreiter im Europavergleich ist Luxemburg, wo die Mindesteinkünfte 84.780 Euro betragen müssen. Auch Finnland (62.508 Euro), die belgischen Regionen Wallonien und der Großstadtraum Brüssel (jeweils 60.998 Euro) sowie die Niederlande (60.096 Euro) fordern hohe Gehaltsnachweise von ausländischen Bewerber:innen. Bis vor kurzem folgte Deutschland auf Platz 21 der höchsten Grenzen – am 1. November 2023 wurde das Mindesteinkommen aber von 58.400 Euro auf 43.800 Euro gesenkt.

Es geht aber auch anders: In Bulgarien müssen Arbeitskräfte lediglich ein Einkommen in Höhe von 17.735 Euro erzielen, um den Ansprüchen gerecht zu werden. Auch in Lettland wird mit 18.216 Euro auf eher niedrige Hürden gesetzt, um qualifizierte Fachkräfte in den heimischen Arbeitsmarkt zu holen: Den dritten Platz in unserer Untersuchung belegt Kroatien mit 19.289 Euro. Es folgen Portugal mit 21.030 Euro und Ungarn mit 26.425 Euro auf Rang vier und fünf.

Übersicht Länderranking:

Niedrigere Grenzen für Engpassberufe

Für sogenannte Engpassberufe, in denen der Fachkräftemangel besonders ausgeprägt ist, gelten zusätzliche Ausnahmeregelungen. Dazu gehören etwa Berufe aus den Feldern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und der Humanmedizin. Wie auch bei Berufsanfänger:innen wurde die Anforderung hier von 45.552 Euro auf 39.682 Euro gesenkt. Jedoch bieten auch andere Länder vergleichbare Vereinfachungen für entsprechend qualifizierte Bewerber:innen. So müssen besonders gefragte Arbeitskräfte in Lettland und Portugal beispielsweise nur etwas über 16.000 Euro an Einkommen nachweisen.

Deutschland günstig bei der Beantragung einer Blauen Karte

Die erstmalige Beschaffung einer Blauen Karte geht in Deutschland hingegen vergleichsweise weniger ins Geld: 110 Euro an Verwaltungsgebühren müssen Bewerber:innen hier aufbringen. Gemeinsam mit Ungarn landet Deutschland somit auf dem fünften Rang in dieser Statistik. Noch günstiger sind lediglich Slowenien (102 Euro), Polen (94,59 Euro), Luxemburg (80 Euro) und Bulgarien (56,24 Euro).

Aber auch hier zeigen sich teils starke Unterschiede im Ländervergleich: Besonders in Spanien sollten Bewerber:innen einer Blauen Karte die Beantragungskosten mit in die Budgetplanung aufnehmen. Mit 418 Euro wird hier die kostspieligste Gebühr verlangt. Auch in Finnland fallen die Kosten mit 380 Euro vergleichbar hoch aus. Belgien (358 Euro), Frankreich (324 Euro) und Griechenland (300 Euro) komplettieren die Top fünf der teuersten Verwaltungen.

Übersicht Beantragungskosten:

  • Prof. Dr. Ralph Frank
    „Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz und die damit einhergehende Senkung des Mindesteinkommens für die Blaue Karte EU ist definitiv ein großer Schritt in die richtige Richtung. Die alte Grenze lag über dem durchschnittlichen Bruttoverdienst in Deutschland – das war weder fair noch realistisch. Letztlich stehen wir hierzulande in direkter Konkurrenz mit unseren europäischen Nachbarn. Die Mindesteinkommensgrenze sind verständlicherweise in den Ländern hoch sind, in denen auch Lebensunterhaltungskosten und Durchschnittseinkommen im europäischen Vergleich höher sind.
    Es gilt, so viele positive Signale wie möglich an qualifizierte Interessent:innen zu senden, die sich eine längerfristige Beschäftigung innerhalb der EU vorstellen können. Für die Fachkräfte bedeutet eine solche Entscheidung schließlich enormen Aufwand und setzt die Bereitschaft zu großen Veränderungen voraus. Insofern ist es umso wichtiger, dass potenzielle Bewerber:innen nicht durch unnötig hohe Hürden abgeschreckt werden.”
    Prof. Dr. Ralf FrankProfessor für organisatorische Transformation an der Gisma University of Applied Sciences

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