
Einkommensvergleich in der EU: Mindestlohn reicht kaum irgendwo zum Leben aus
- Gisma University of Applied Sciences vergleicht Mindestlohn und Durchschnittseinkommen mit den Lebenshaltungskosten der einzelnen EU-Länder
- Nur in Belgien reicht der Mindestlohn für eine Person zum Leben und Wohnen aus
- Ein Durchschnittseinkommen reicht für vierköpfige Familien nicht überall aus
Nur in Belgien reicht der Netto-Mindestlohn für die Deckung der durchschnittlichen Lebenshaltungskosten inklusive Wohnungsmiete für eine Person. Das ergab eine Analyse der Gisma University of Applied Sciences (www.gisma.com), in der das Nettoeinkommen aus Mindestlohn und Durchschnittseinkommen der einzelnen EU-Länder mit den durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für eine Person und für eine Familie mit vier Personen des jeweiligen Landes verglichen wurde. Demnach ist Belgien das einzige EU-Land, in dem nach Abzug von Lebenshaltungs- und Mietkosten für eine Person überhaupt monatlich Geld übrig bleibt (269,62 Euro).
Hier reicht der Mindestlohn lange nicht zum Leben und Wohnen
In allen anderen Ländern ist eine arbeitstätige Person mit dem Nettoeinkommen des Mindestlohns bei einer 40-Stunden-Woche deutlich im Minus. Zypern liegt damit am unteren Ende der Statistik. Hier beträgt der Nettomindestlohn 886 Euro, während durchschnittliche Lebens- und Mietkosten für eine Person 1.801,90 Euro betragen. Das ergibt ein Minus von 915,90 Euro am Ende des Monats. In Tschechien sind die Verhältnisse ähnlich drastisch: Hier ist eine Person mit Mindestlohn am Ende des Monats bei einem Minus von 803,19 Euro. Malta liegt etwas weiter davor: Hier ist eine Mindestlohn-verdienende Person bei einem Minus von 796,59 Euro. Deutschland liegt mit dem vierten Platz verhältnismäßig weit vorne, aber auch hier fehlt einer Person mit Mindestlohneinkommen noch 354,17 Euro, um die Lebenskosten zu decken.
Wer Einnahmen und Kosten einer Familie von vier Personen (zwei erwerbstätige Erwachsene, zwei Kinder) berechnet, merkt, dass die Finanzplanung EU-weit eine riesige Herausforderung ist: In Belgien und den Niederlanden hilft einem der Mindestlohn noch am meisten weiter, aber mit einem Minus von 768,25 Euro bzw. 1292,24 Euro reicht das Einkommen lange nicht zum Leben und Wohnen. Spanien liegt hier auf Platz drei mit einem Minus von 1615,43 Euro. Am unteren Ende der Tabelle bleiben die Verhältnisse in etwa gleich: In Zypern (-3050,22 Euro), Malta (-2.560,62 Euro) und Tschechien (-2496,04 Euro) reicht der Mindestlohn lange nicht zum Leben und Wohnen aus.*
*Hinweis: Bei dieser Berechnung wurden Sozialleistungen wie Wohngeld, Kindergeld usw. bewusst exkludiert.
So viel ist das Durchschnittseinkommen in den EU-Ländern wert
Ganz anders stellen sich die Lebensverhältnisse in der EU dar, wenn man anstelle des Mindestlohns das Nettodurchschnittseinkommen zur Grundlage nimmt. Dann ist man nach Abzug der Lebens- und Mietkosten einer 1-Zimmer-Wohnung in den meisten EU-Ländern im Plus. Allerdings mit gehörigen Unterschieden: In Dänemark (+1882,04 Euro), Schweden (+1728,26 Euro) den Niederlanden (+1378,36 Euro) und Deutschland (+1338,83 Euro) bleibt mit Abstand am meisten übrig. Es gibt allerdings auch Länder, in denen das Nettodurchschnittseinkommen nicht für die durchschnittlichen Lebenskosten reicht: In Portugal beträgt das Durchschnittsnettoeinkommen nur 1342 Euro, während die Summe aus durchschnittlichen Lebens- und Mietkosten 1620,22 Euro beträgt. Hier wäre man am Ende des Monats also noch im Minus von 278,22 Euro. Ähnlich sieht es in Malta aus, hier beträgt die Differenz aus Lebens- und Mietkosten und Nettodurchschnittseinkommen -250,59 Euro. Die Slowakei liegt leicht davor, mit einem Minus von 201,48 Euro. Nach Griechenland (-175,30 Euro), Tschechien (-21,19 Euro) und Bulgarien (-20,47 Euro), ist Kroatien das erste Land, das wieder ein Plus aufweist (+38,44 Euro).
Nimmt man für den Vergleich des Durchschnittseinkommens anstelle einer Person eine Familie von vier Personen an, sehen die Ergebnisse leicht verändert aus: Auch hier sind Dänemark (+2200,63 Euro), Schweden (+2162,97 Euro) und die Niederlande(+1735,76 Euro) auf den ersten drei Plätzen. In insgesamt 16 EU-Ländern reicht aber auch das Durchschnittsnettoeinkommen nicht für eine vierköpfige Familie aus: Allen voran Malta, wo nach Abzug der Lebens- und Wohnkosten ein Minus von 1468,62 Euro auf dem Konto steht. Ähnlich sieht es in Griechenland aus: hier bleibt ein Minus von 1368,69 Euro übrig. Auch Portugal (-1339,07 Euro) ist hier wieder am Ende der Tabelle zu finden. Deutschland steht derweil mit einem Plus von 1391,70 Euro auf dem vierten Rang.
Prof. Dr. Ramon O´Challaghan, Präsident an der Gisma University of Applied Sciences, kommentiert die Ergebnisse: „Die Analyse zeigt sehr deutlich, wie groß die finanziellen Herausforderungen selbst für Erwerbstätige in vielen Teilen Europas sind – insbesondere für Familien. Während der gesetzliche Mindestlohn in fast keinem EU-Land ausreicht, um die Lebenshaltungskosten zu decken, offenbart die Untersuchung zugleich eine wichtige Perspektive: Wer ein durchschnittliches Einkommen erzielt, ist – vor allem in Ländern wie Deutschland – in einer deutlich besseren finanziellen Lage. Gerade für junge Menschen aus dem Ausland, die eine berufliche Zukunft in Europa planen, ist das eine zentrale Erkenntnis: Ein Studium in Deutschland kann der Einstieg in ein Umfeld sein, das wirtschaftliche Stabilität und reale Aufstiegsmöglichkeiten bietet. Deutschland liegt beim Verhältnis von Durchschnittseinkommen zu Lebenshaltungskosten unter den Top-Ländern Europas – das ist ein starkes Argument für qualifizierte Zuwanderung und international ausgebildete Fachkräfte. Als Hochschule mit einem klaren Fokus auf internationale Karrieren und praxisnahe Studiengänge in den Bereichen Management, Technologie und Wirtschaft sehen wir es als unsere Aufgabe, jungen Talenten die Kompetenzen mitzugeben, die sie über das Mindestlohnniveau hinausbringen.“
Über die Untersuchung
Die Gisma University of Applied Sciences hat Mindest- und Durchschnittseinkommen in den EU-Mitgliedsstaaten mit den durchschnittlichen Lebenshaltungskosten und Mietpreisen verglichen. Angenommen wurde dabei jeweils das Nettoeinkommen für eine Vollzeitstelle (40 Stunden in der Woche). Länder ohne einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn (Dänemark, Österreich, Finnland, Schweden und Italien) wurden nicht in das Mindestlohn-Ranking aufgenommen. Die Daten zum Netto-Mindest- und Durchschnittseinkommen stammen aus öffentlich zugänglichen Übersichten zu europäischen Lohnstatistiken. Diese Übersichten basieren auf Angaben von Quellen wie Eurostat, der OECD sowie nationalen Statistikämtern und wurden über die entsprechenden konsolidierten Wikipedia-Einträge (Stand: Juni 2025) abgerufen. Die Lebenshaltungs- und Mietkosten basieren auf Angaben von Numbeo.com und spiegeln den durchschnittlichen Bedarf für ein städtisches Leben in der Nähe des Zentrums wider. Für Einzelpersonen wurde mit einer Einzimmerwohnung kalkuliert, für Familien mit einer Dreizimmerwohnung. Zudem wurde bei Familien angenommen, dass zwei Erwachsene voll berufstätig sind. Die Differenz aus Nettoeinkommen und den kombinierten monatlichen Ausgaben ergibt die monatliche Über- oder Unterdeckung – ein Indikator dafür, ob ein Einkommen real zum Leben reicht oder nicht. So zeigt sich, wie groß die finanzielle Lücke trotz Arbeit in vielen Ländern weiterhin ist.